Mit Beginn der Corona-Pandemie fiel auch die Präsenzlehre von einem Tag auf den anderen weg. Stattdessen haben digitale Lehrformate verstärkt Einzug in den Universitäten gehalten. Waren aufgezeichnete Vorlesungen, Blended Learning und Big Blue Button Meetings vor der Pandemie noch eine Utopie, gehören sie inzwischen zum Alltag vieler Studenten. Doch wie ausgereift ist die digitale Lehre und wie sieht Studieren während Corona aus? Dieser Frage ist das CHE Centrum für Hochschulentwicklung nachgegangen.
Mehr als 27.000 Studierende wurden in einem Zeitraum von 3 Monaten zu Studium und Lehre in Zeiten von Corona befragt. Das Ergebnis der CHE-Studie: Das Corona-Management der Universitäten wird überwiegend positiv bewertet – allerdings lassen sich nicht alle Studienrichtungen so einfach auf eine vollständige digitale Lehre umstellen, was das Studieren während Corona zu einer Herausforderung macht.
Studieren während Corona: Digitale Lehrformate finden überwiegend Anklang
Als die Pandemie ausbrach, haben die Universitäten rasch reagiert: Digitale Lehrformate wie wöchentliche Big Blue Button Meetings, asynchrone Lehre oder mit Audio-Files versehene Präsentationen wurden relativ schnell angeboten. Auch umfangreiche Hygienekonzepte wurden ausgearbeitet: Seminargruppen von bis zu 25 Personen treffen sich jetzt in großen Vorlesungssälen statt in engen Seminarräumen. Auf diese Weise kann der Abstand besser gewährleistet werden.
Manche Universitäten teilen Ihren Studierenden auch spezielle Nummern zu, damit diese schnell informiert werden können, sollte ein Seminarteilnehmer an Corona erkrankt sein. Der Lehrbetrieb konnte auf diese Weise aufrecht erhalten werden und Studierende können Ihr Studium ohne Unterbrechung fortsetzen. Laut der CHE-Studie fielen nur wenige Vorlesungen und Seminare ersatzlos aus. Die Ablegung von Prüfungen wurde ebenfalls weiterhin ermöglicht. Die technischen Rahmenbedingungen werden ebenso von einem Großteil der Studierenden gelobt.
Wo besteht Verbesserungsbedarf?
Die technischen Rahmenbedingungen, die Vielfalt digitaler Lehrformate sowie die hygienischen Konzepte sind also aus Sicht der Studierenden tatsächlich gegeben. Verbesserungsbedarf sehen die Studierenden allerdings im Bereich Didaktik. Innerhalb der Lehrveranstaltungen fühlen sich die Studenten zum Teil nicht ganz abgeholt. Die Studierenden wünschen sich laut CHE-Studie ein besseres didaktisches Konzept oder eine begeisterndere Ansprache von Lehrenden.
In der Befragung hat sich außerdem gezeigt, dass Studienfächer mit einer hohen praktischen Ausrichtung online nicht so gut umgesetzt werden können. Viele Studienfächer wie Medizin, Molekularbiologie oder Chemie sind schließlich auf Laborübungen angewiesen. In den Geowissenschaften finden zum Beispiel häufig Exkursionen statt. Exkursionen oder Laborübungen konnten oft nicht durchgeführt werden. Auf der anderen Seite heben die Studierenden positiv hervor, dass sich die Teilnehmeranzahl in Laborpraktika stark verringert habe, wodurch nun für alle ausreichend Geräte und Materialien zur Verfügung stehen.
Für Exkursionen wurden zum Teil spannende und innovative Konzepte als Ersatz angeboten. Im Rahmen der CHE-Studie hat sich außerdem herausgestellt, dass Studierende den fachlichen Austausch unter Kollegen vermissen und sie sehen auch den eingeschränkten Zugang zu Bibliotheken und Lernräumen kritisch.
Studierende als Einzelkämpfer?
Durch die CHE-Studie fällt vor allem eins auf: Der Wegfall von direktem Austausch macht das Studieren während Corona häufig zu einer mühsamen Aufgabe. Ein Informationsaustausch nach der Lehrveranstaltung vermittelt den Student eine gewisse Sicherheit – sie können sich darüber austauschen, ob bestimmte Inhalte schwierig zu verstehen waren, sich Hilfe holen oder die anderen fragen, wie sie an bestimmte Fragestellungen herangehen.
Obwohl digitale Lehrformate an und für sich positiv bewertet werden, hängt die Qualität der Lehre natürlich weiterhin stark vom jeweiligen Dozierenden ab. Eine schlechte Lehre konnte in der Vergangenheit häufig durch Lerngruppen kompensiert werden – diese Möglichkeit fällt nun weg und Studierende werden zu Einzelkämpfer. Das Gefühl ins Leere zu lernen, da Diskurs und Einordnung nicht gegeben sind, verstärkt sich. Digitale Lehrformate wie kleinere Online-Lerneinheiten sind daher in Zukunft unabdinglich.
Studium während Corona: Was wünschen sich Studierende in Zukunft?
Laut CHE-Studie wünschen sich Studierende in Zukunft zwar mehr digitale Lehrformate, allerdings möchten sie dabei nicht auf Präsenzformate verzichten. Die befragten Studierenden sehen Modelle wie Blended Learning oder Präsenzlehre mit digitalen Elementen als Lernsettings der Zukunft.
Konkrete Handlungsempfehlungen laut CHE-Studie
Die Studie gibt aufgrund der ermittelten Daten einige Handlungsempfehlungen, die während der Pandemie, aber auch in Zukunft das Lernen und Lehren – vor allem auch in digitaler Hinsicht – verbessern könnten. Diese lauten wie folgt:
- Vorteile analoger Lehre & Vorteile digitaler Elemente in Zukunft kombinieren
- Blended Learning Konzepte wie Inverted Classrooms haben großes Potenzial
- Er- und Überarbeitung der Lehr- und Lernstrategien im digitalen Zeitalter
- Hochschulen benötigen eine Digitalisierungsstrategie, um wirklich alle Fächer abzuholen
- Lehrende benötigen mediendidaktische Unterstützung