Manche Dinge klappen nicht beim ersten Anlauf. Das bedeutet aber nicht, dass dann alles zu Ende ist. Auch im Bereich der Schulabschlüsse gibt es die Möglichkeit, im Erwachsenenalter zu erreichen, was einem in der Kindheit noch nicht wichtig erschien oder durch äußere Umstände verhindert wurde. In diesem Fall ist die Rede vom Zweiten Bildungsweg, der das Nachholen eines Schulabschlusses oder den Erwerb einer Hochschulzugangsberechtigung möglich macht.
Schulzeit und Abschlüsse
Normalerweise durchläuft der Mensch eine zehnjährige Schulzeit, an die sich das Abitur und ein Studium oder eine Berufsausbildung anschließen. Darauf aufbauend lassen sich höhere Qualifikationen erwerben. Ein zweiter Bildungsweg macht es möglich, dass Schulabschlüsse auch im Erwachsenenalter nachgeholt werden können. Das geschieht oftmals bei beruflicher Umorientierung oder wenn der Betreffende den Wunsch verspürt, doch noch ein Studium zu absolvieren.
Zweiter Bildungsweg: was lässt sich nachholen?
Wer einen Abschluss nachholen oder ein Studium machen möchte, hat dabei folgende Möglichkeiten:
- Hauptschulabschluss
- Mittlere Reife
- Fachabitur
- Abitur
1. Hauptschulabschluss
Ohne Hauptschulabschluss ist es schwierig, ins Berufsleben einzusteigen. Diese Tatsache wird von vielen Jugendlichen erst realisiert, wenn die ersten Bewerbungen geschrieben werden. Trotzdem ist es nicht zu spät, denn auch ein zweiter Bildungsweg macht einen beruflichen Aufstieg möglich. Hinzu kommt die Möglichkeit, den Hauptschulabschluss durch eine abgeschlossene Berufsausbildung automatisch anerkannt zu bekommen. Doch eine Lehrstelle ohne die Vorlage eines Schulabschlusses zu finden, gestaltet sich in den meisten Fällen schwierig.
Wer diesen Abschluss nachholen möchte, besucht dafür Abendhauptschulen oder Volkshochschulen. Das prüfungsrelevante Wissen wird meist an den Abenden vermittelt, sodass sich die tägliche Arbeit und die Vorbereitung auf den Hauptschulabschluss miteinander vereinen lassen.
2. Mittlere Reife
Wer die Schullaufbahn mit der Mittlere Reife beendet, kann sich mit diesem Abschluss für die meisten Ausbildungsberufe bewerben. Kommt eine abgeschlossene Ausbildung mit mehrjähriger Berufserfahrung hinzu, sind der Besuch der Fachhochschule oder unter bestimmten Umständen die Aufnahme an einer Universität möglich. Dieser Abschluss kann auf dem Zweiten Bildungsweg durch ein Fernstudium und den Besuch von Abendrealschulen oder am Berufskolleg nachgeholt werden. Der Unterricht findet abends oder teilweise in den Vormittagsstunden statt und dauert meist zwei Jahre.
3. Fachabitur
Wer die Fachhochschulreife anstrebt, darf an einer Fachhochschule studieren. Ein Universitätsstudium ist mit diesem Abschluss ebenfalls möglich, allerdings ist das Studium in diesem Fall auf bestimmte Fächer beschränkt. Das Fachabitur lässt sich auf dem Zweiten Bildungsweg an Volkshochschulen, am Berufskolleg oder an Abendgymnasien nachholen und eröffnet durch ein anschließendes Studium umfangreiche Perspektiven.
4. Abitur
Das Abitur wird auch als Allgemeine Hochschulreife bezeichnet und berechtigt zum Studium an einer Universität. Mit diesem Bildungsabschluss lässt sich jede gewünschte Fachrichtung studieren, daher ist dieser Schulabschluss auch über den Zweiten Bildungsweg sehr gefragt. Das Abitur lässt sich an Abendgymnasien nachholen, kann aber auch über ein Fernstudium realisiert werden. Dabei sollte der Zeitaufwand für diesen Abschluss berücksichtigt werden, denn für das Erlernen des Abiturwissens sollten wie auf dem Gymnasium mehrere Jahre eingeplant werden.
Zweiter Bildungsweg und Abitur
Wer diesen Abschluss nachholen möchte und die Mittlere Reife besitzt, muss nicht zwingend einen Vorbereitungskurs besuchen. Das Abitur wird über den Zweiten Bildungsweg durch eine sogenannte Externenprüfung erlangt, die kostenpflichtig ist. Der Zugang zu dieser Prüfung ist dabei nicht von der Teilnahme an einem Fernstudium oder der Prüfungsvorbereitung an einem Abendgymnasium abhängig.
Die gesetzlichen Regelungen
Jedes Bundesland stellt hinsichtlich der Schulpolitik seine eigenen Regeln auf. Das hat zur Folge, dass der Zweite Bildungsweg in allen Ländern unterschiedlich gehandhabt wird. Das beginnt beim Wohnsitz, der in der Stadt liegen muss, in der ein Zweiter Bildungsweg beschritten werden soll und endet bei den unterschiedlichen Finanzierungsmöglichkeiten.
Welche Abschlüsse an welchen Institutionen nachgeholt werden können, zeigt der folgende Überblick:
Berufskolleg
Das Berufskolleg kann nur in Baden-Württemberg besucht werden. Als Zugangsvoraussetzung wird der Mittlere Bildungsabschluss vorausgesetzt. Sie führen zum mit zusätzlichem Unterricht bis zur Fachhochschulreife.
Berufsoberschulen
Hier wird in Vollzeit meist über zwei Jahre hinweg unterrichtet. Voraussetzungen sind der Mittlere Bildungsabschluss oder eine abgeschlossene Berufsausbildung. Auch eine mehrjährige Berufspraxis kann zur Aufnahme an einer Berufsschule berechtigen. Als Abschlüsse werden die Fachgebundene Hochschulreife sowie die Allgemeine Hochschulreife erteilt (beim Abschluss einer zweiten Fremdsprache).
Fachakademien
Fachakademien gibt es nur im Bundesland Bayern. Zugang zu diesen Bildungseinrichtungen gibt es bei Vorlage des Mittleren Bildungsabschlusses. Die Ausbildungszeit beträgt mindestens zwei Jahre und endet mit der Fachhochschulreife. In Einzelfällen kann die Fachgebundene Hochschulreife erlangt werden.
Fachgymnasien / Berufliche Gymnasien
Diese Bildungsinstitute sind beruflich orientiert und führen innerhalb von drei Jahren zur Allgemeinen Hochschulreife. In Kombination übernehmen sie einen Teil einer Berufsausbildung und bieten auch Berufsabschlüsse an. Für die Aufnahme wird der Mittlere Bildungsabschluss vorausgesetzt.
Fachoberschulen
Fachoberschulen bieten eine Kombination aus fachspezifischem und allgemeinem Wissen. Ohne eine abgeschlossene Berufsausbildung dauert der Besuch einer Fachoberschule zwei Jahre. In der elften Klasse werden Theorie und Praxis zu gleichen Anteilen unterrichtet, in der zwölften Klasse erfolgt ausschließlich theoretischer Unterricht. Mit einer bereits bestandenen Ausbildung erfolgt die Aufnahme an eine Fachoberschule direkt in die zwölfte Klasse. Auch hier ist der Mittlere Bildungsabschluss Voraussetzung für den Zugang.
Abendschulen für Berufstätige
Für Berufstätige, die sich über den Zweiten Bildungsweg weiterbilden und einen Abschluss nachholen wollen, sind Abendschulen geeignet. Hier wird in den Abendstunden und auch am Wochenende unterrichtet, sodass sich das Lernen mit den beruflichen Arbeitszeiten verbinden lässt.
- Abendhauptschulen: Hauptschulabschluss nach einem Jahr
- Abendrealschulen (auch Abendmittelschulen oder Abendsekundarschulen genannt): Mittlerer Bildungsabschluss nach zwei Jahren
- Abendgymnasien: Allgemeine Hochschulreife nach drei Jahren
Kollegs
An einem Kolleg findet der Unterricht tagsüber statt, daher eignet sich dieses Modell des Zweiten Bildungsweges nur für Menschen, die nicht oder eingeschränkt berufstätig sind. Ein Mittlerer Bildungsabschluss sowie eine abgeschlossene Berufsausbildung sind Voraussetzung für die Weiterbildung am Kolleg. Innerhalb von drei Jahren kann die Allgemeine Hochschulreife erlangt werden.
Fernunterricht
Wer schon im Berufsleben steht und trotzdem einen Abschluss über den Zweiten Bildungsweg nachholen möchte, kann dies mithilfe eines Fernstudiums realisieren. Das notwendige Wissen wird über Fernlehrbriefe sowie computergestützte Lernmittel vermittelt, das von Fernlehrern kontrolliert wird. Hinzu kann begleiteter Präsenzunterricht kommen, der meist an den Wochenenden stattfindet.
Abschluss nachholen mit dem zweiten Bildungsweg: Was kostet das?
Wer einen Abschluss nachholen oder mit dem Abitur zu einem Studium zugelassen werden will, kann auf den Zweiten Bildungsweg bauen. Dieser ist öffentlich und daher kostenfrei. Lediglich ein Fernstudium ist komplett aus der eigenen Tasche zu zahlen. Beim Besuch der Abendschule oder des Kollegs werden nur die Kosten der Schulbücher in Rechnung gestellt.
Obwohl ein Zweiter Bildungsweg öffentlich gefördert wird, kann die Zeit des Lernens kostenintensiv werden. Fahrten zu den entsprechenden Einrichtungen schlagen finanziell zu Buche und in einigen Fällen fällt der Verdienst durch Erwerbstätigkeit aus. Dann braucht es Finanzierungsmöglichkeiten, von denen hier drei Varianten vorgestellt werden.
1. Bafög für Schüler
Das sogenannte Schüler-Bafög wird beim Besuch eines Abendgymnasiums gezahlt. Der Antrag kann auch von Bewerbern gestellt werden, die das dreißigste Lebensjahr schon überschritten haben. Die genauen Konditionen lassen sich beim zuständigen Amt für Ausbildungsförderung erfragen. Beim Schüler-Bafög werden Bedarfssätze gezahlt, die sich nach der Schule sowie den Wohn- und Einkommensverhältnissen richten.
2. Bildungskredit
Der Bildungskredit wird auf Antrag an Volljährige gezahlt und gehört zu einem Programm der Bundesregierung. Das Kreditvolumen beträgt bis zu 7200 Euro und wird in Raten über einen maximalen Zeitraum von 2 Jahren oder in einer Einmalzahlung gewährt.
3. Stipendium
Stipendien werden in der Regel nur für den Ersten Bildungsweg bewilligt. Wer jedoch in einer Gewerkschaft Mitglied ist, kann ein Stipendium über die Hans-Böckler-Stiftung erhalten und eine monatliche Unterstützung von ca. 600 Euro erwarten. Einziger Haken: Man kann sich nicht für das Stipendium bewerben. Der Vorschlag muss beispielsweise von einer Gewerkschaft kommen.